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Brücke zwischen Gesundheits– und Sozialsytem und afrikanischen Communities bauen

 

Missverständnisse ausräumen über Sprachbarrieren hinweg

Baobab ist ein Netzwerk, in dem Menschen aus verschiedenen Herkunftsländern Betroffenen und Angehörigen helfen, Kommunikationsprobleme zu überwinden, Vertrauen und Respekt zu erlangen und den im Gesundheitsbereich Tätigen die afrikanische Kultur zu vermitteln bzw. Missverständnisse aufzuklären. Was geschieht in Wien und in anderen Städten?

Ein Bericht aus Hannover

Ich arbeite als Sprachvermittler bei Baobab in Hannover und möchte Beispiele zum Verständnis anführen. Die Deutschen verstehen z.B. nicht, dass wir in Afrika nicht so grüßen wie in Deutschland. Das macht doch für uns keinen Sinn. Ich komme aus einem Dorf, da sieht man sich ständig. Warum sollten wir uns grüßen. In der Apotheke erblicken wir ein Schlangensymbol, das uns Angst macht. Warum wird das Zeichen in der Apotheke verwendet? Und was machen Kerzen in Krankenhäusern? Das bedeutet für uns auch nichts Gutes und für Euch ist es Schmuck oder Dekoration in der Adventszeit……

Im Oktober 2016 bekomme ich einen Anruf von einem Arzt, der dringend um eine Sprachvermittlung bat. Es ging um einen jungen Afrikaner ( 23 J.), der stationär auf TB behandelt wurde. Der Arzt hatte einen Verdacht auf eine HIV-Infektion. Das Ergebnis des B-Tests lag noch nicht vor. Meine Aufgabe bestand darin, dem Patient die Sinnhaftigkeit der Behandlung und die Bedeutung der Blutabnahme zu erklären und auf ein positives Testergebnis vorzubereiten.

Der junge Mann zweifelte an den Fähigkeiten des Arztes, ihn zu behandeln. Denn er sei nicht krank.

Ich bat den Arzt, mich allein mit dem Patient zu lassen, damit ich allein mit ihm reden kann. Das fehlende Vertrauen zum Arzt konnte nicht nur durch die Übersetzung wiederhergestellt werden, zu mal der Patient davon ausging, dass das Krankenhaus sein Blut verkaufen würde.

Wir haben uns über den Zweck unserer Migration nach Europa unterhalten. Wir haben uns über die Erwartungen in Deutschland und über unser Leben in Afrika ausgetauscht. Wir haben festgestellt, dass wir gemeinsame Ziele haben. Um diese zu erreichen, müssen  wir gesund sein, denn das Leben unserer Familien hängt von unseren finanziellen Zuwendungen ab.
Das Wir-Gefühl wurde stark hervorgehoben. Dieses schafft Vertrauen. Nach ca. 45 Minuten konnte ich ihm einigermaßen überzeugen, die Behandlung zu akzeptieren.  Das prägnante Argument was, dass baobab und ich die Verantwortung für seine Behandlung übernommen haben. Ich  habe Ihm die Geschichte und die Motivation zur Gründung von baobab erklärt, einige Beispiele über das Erreichte dargestellt, über das I Phone unsere Webseite gezeigt und damit unser Engagement ins Krankenzimmer geholt. Die visualisierte Wahrnehmung ist für mich wichtig.

Der Zweifel kam aus der Tatsache, dass die Art der Behandlung nicht bekannt war und damit nicht nachvollziehbar. Außerdem verstand er nicht, dass die Behandlung kostenlos ist. Das konnte nicht gut sein. Diese Zweifel habe ich ausräumt.

Hinzu kommt noch, dass er sich weigert das Essen zu nehmen.
Aus meiner Seite versprach ich ihm, dass Baobab für afrikanisches Essen sorgt. Unser Sozialdienst hat für ihn eine Kochgruppe gegründet. Sieben Personen kochten abwechselnd das Essen SUMARA für ihn und brachten es in Krankenhaus….

Das war der Deal. 

Bericht aus Wien: Ich werde Amani als Namen benutzen.

Ich werde Amani als Namen benutzen, das heißt auf Swahili „Frieden“.
Ich bin einem kleinen Dorf der kenianischen Provinz Kisumu in der Nähe des Viktoriasees geboren.
Als ich 3 Jahre alt war gaben mich meine Eltern zu meiner Großmutter, weil mein Stiefvater mich nicht bei sich haben wollte.
Als ich 16 Jahre alt war führte ich eines Tages die Tiere aufs Feld um sie dort grasen zu lassen. Dort ist im Schlaf ein Mann über mich hergefallen und hat mich vergewaltigt. Dabei bin ich schwanger geworden, habe das aber erst viel später gemerkt als mein Bauch plötzlich immer größer wurde und zu schmerzen begann. Ich war sehr verzweifelt und habe versucht das Kind los zu werden. Heute bin ich froh, dass mir das nicht gelungen ist.

Danach bin ich nach Nairobi gegangen um zu arbeiten, dort habe ich 5 Jahre später meine zweite Tochter zur Welt gebracht aber die Beziehung hat  nicht gehalten. Über meinen HIV Status erfuhr ich als ich meinen Mann aus Österreich kennen lernte, der vor der Heirat einen Test machen wollte.
Ich war sehr schockiert als ich das Ergebnis erfuhr, denn damals glaubte ich noch wie mein Onkel, meine Tante, meine Cousine und meine Freundin an Aids sterben zu müssen.

Mein Mann hat mich aber gerettet. Er hat meinen Status akzeptiert und mich nach Österreich mitgenommen.
Ich bin an das AKH Wien gekommen und habe dort einen Arzt getroffen, der mich zum ersten mal richtig über meine Krankheit aufgeklärt hat. Ich habe viel geweint aber er hat mich beruhigt und gesagt, dass ich mit einer Therapie wie normale Menschen leben kann. Er hat mich auch zu einer Psychologin geschickt um meine Trauer und meinen Schock zu verarbeiten.

Mein Arzt hat mir Atripla verschrieben und mir die Wirkung und Nebenwirkungen der Therapie erklärt. Die Medizin hat gut gewirkt aber ich war oft müde und hatte schlechte Träume.

Später wurde ich daher auf eine andere Kombination eingestellt, dann war auch der Schlaf in Ordnung.
Ich habe auch andere Medikamente für Kopfschmerzen und Eisenmangel bekommen und meine Ärzte haben mich informiert, dass man diese Medikamente zusammen nehmen kann, aber dass man bei anderen Medikamenten aufpassen muss und ich deshalb immer vorher fragen soll, wenn ich ein neues Medikament dazu nehme.
Ich glaube an Gott. Viele meiner Landsleute auch im Familien- und Freundeskreis haben geglaubt Gott könnte ihnen aus der Krankheit helfen und haben ihre Therapie deshalb nicht oder nicht regelmäßig genommen. Ich weiß, dass die HIV-Infektion ohne Medikamente nicht beherrscht werden kann und dass man nur mit einer regelmäßigen Einnahme gesund bleiben kann.
Für die Aidshilfe Wien habe ich mehrere Betroffene interviewt. Dabei habe ich erfahren, dass Angst vor Stigmatisierung immer noch ein großes Problem ist. Ein Mann hat beispielsweise seine Medikamente über Jahre hindurch vor seiner Freundin versteckt, damit sie seinen Status nicht erfährt.

Für mich habe ich beschlossen meinen Status nicht geheim zu halten und offen darüber zu reden. Damit will ich auch anderen Menschen, die mit der HIV-Infektion leben Mut machen, weil man sich für seinen Status nicht schämen braucht.

Kass Kasadi

Kass Kasadi, 55 Jahre, Politologe und Sprachwissenschatler; Leibniz Universität Hannover. 34 Jahre in Deutschland, ich komme ursprünglich aus Kongo-Kinshasa.

  • Bin seit über 25 Jahren Aktivist im Kampsf gegen HIV/AIDS in der afrikanischen Community. Polyglote, ich kann 10 Sprachen Sprechen
  • Gewinner des ersten HIV Community Preis mit der Hannöverschen AIDSHILFE  auf DÖAK in Innsbrück 2013. Bis 2015 Landeskoordinator für transkulturelle Beratung beim Landesverband der Aidshilfe Niedersachsen
  • Gründer und Geschäftsführer von baobab-zusammensein e.V.

Mein Leitmotiv: Der Wunsch zu verstehen gekoppelt mit dem Wunsch verstanden